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Linda And The Small Giants: Dear Amnesia (Review)
Artist: | Linda And The Small Giants |
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Album: | Dear Amnesia |
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Medium: | CD | |
Stil: | Ruhiger Indie-Pop zwischen Modern-Folk, traurigen Streichern und fragilen Electronica |
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Label: | Beste! Unterhaltung / Brokensilence | |
Spieldauer: | 50:34 | |
Erschienen: | 24.05.2013 | |
Website: | [Link] |
Wer kennt ihn nicht – den niemals enden wollenden Schmerz des Abschieds?
Da haben sich zwei oder gleich mehr zusammengerauft und erkannt, dass sie wirklich gut zueinander passen. Die Gefühle spielen verrückt, wenn man sich begegnet, zusammen ist und gemeinsam die Dinge angeht, welche man bis dahin nur einsam zu meistern versuchte. Das Hochgefühl von Liebe oder einfach nur von Verbundensein schweißt einen zusammen. Man glaubt tatsächlich, plötzlich unschlagbar zu sein. Doch dann kommt es überraschend oder schleichend zur Trennung und man steht wieder dort, wo man einstmals war und schaut auf den Scherbenhaufen seines Lebens hinab. Einen Scherbenhaufen, den man einerseits selbst, aber den auch andere für einen anhäuften.
Wer solche Gefühle nicht kennt, der braucht sich erst gar nicht die Zeit für LINDA AND THE SMALL GIANTS zu nehmen. Der soll weiter erhaben seine Bahnen durch Raum und Zeit ziehen und alles im Griff haben. Wer sie aber kennt, diese Zweifel und Verlustängste, der bekommt mit „Dear Amnesia“ seinen musikalischen Wegbegleiter an die Seite gestellt.
Gibt es ihn wirklich, diesen „Lieben Gedächtnisverlust“? „Das ist doch eine Krankheit?!“, werden jetzt viele behaupten. Manchmal kann eine Krankheit auch was Liebes, Gutes sein – und wer möchte nicht doch mal gerne einfach das Gedächtnis verlieren, wenn ihm mal wieder ein Mensch, dem man vertraute, schweren Schaden zugefügt hat? Vergessen wäre in diesem Falle keine Krankheit, eher eine Erlösung. Und so ist die Musik von LINDA AND THE SMALL GIANTS eine traurige Homage an Abschiede, Verluste, Trennungen und nicht eingehaltene Versprechen. An genau all das also, was man lieber vergessen will, aber nicht kann, weil man von der hoffnungsvollen Krankheit der Amnesie nicht befallen ist. Die kommt wohl immer nur dann, wenn man gerade Glück statt Leid verspürt. Es ist eben ungerecht, dieses Leben – genauso wie die Menschen um einen herum, die ihre Musik nach ausgeklügelten Werbestrategien aussuchen statt nach ihrem Gefühl, weil sie längst vergessen haben, dass es das auch noch gibt. Darum wohl werden sie irgendwann denken, dass GLASPERLENSPIEL eine Band ist, die minderwertige Texte und austauschbare Musik sowie ein bei BOY geklautes Platten-Cover erfolgreich feilbietet, statt dahinter zu kommen, dass hier der pure Etikettenschwindel mit einem Roman von HERMANN HESSE betrieben wurde. Zum Glück sind LINDA AND THE SMALL GIANTS keinerlei Etikettenschwindel, sondern absolut authentisch. Sie sind so eine Art musikalische Perle aus Deutschland, während sich die Anderen mit deren deutschen Glasvariante zufrieden geben.
Auch LINDA RUM, der Frontfrau dieser kleinen (musikalischen) Giganten, widerfuhr so einiges an Ungerechtigkeiten, wie's scheint. Kaum hatte ihre Band PUNCH & NERVES mit „In Vivid Colours“ ihre erste CD veröffentlicht, da war auch schon wieder Schluss. Das junge Nürnberger Quartett schien musikalisch unterschiedliche Wege gehen zu wollen, was vielleicht nicht die schlechteste Entscheidung war. Etwas zu eintönig und wenig einfallsreich war „In Vivid Colours“ ausgefallen. Schön zwar, aber nicht gut. Zumindest ich war ziemlich enttäuscht über das Album – empfahl sogar in einer Kritik, doch stärker auch mal auf Violinen zu setzen, wie's bei „In Vivid Colours“ leider nur auf einem der wirklich besten Songs der CD bereits geschehen war.
Nun also stand LINDA RUM plötzlich ganz allein da und fragte sich wahrscheinlich: „Mache ich nun weiter?“ … „Und wenn ja, dann wie?“ Sie, die klassisch ausgebildete Musikerin, die Kirchenorgel genauso spielte wie sie bereits auch bei „Rock im Park“ auf der Bühne stand. Und dann traf sie wohl eine der klügsten Entscheidungen, nämlich sich weiter dem Indie-Pop zuzuwenden und (Achtung! Achtung!) neben der klassischen Band-Instrumentierung aus Schlagzeug, Gitarre, Bass und Keys gleich zwei Violinen und ein Cello komplett auf „Dear Amnesia“ mit einzubinden. Dabei heraus kam dann eine musikalische Amnesie, von der man nur hoffen kann, dass sie nicht wirklich zu schnell in Vergessenheit gerät.
Akustischer, doch trotzdem elektronisch verspielter Pop mit Tiefgang und dem Gesang von Linda, die zwischen ANNE TERNHEIM und PJ HARVEY pendelt, mal kristallklar oder elektronisch verfremdet ihre ganze Klangbreite entfaltet, und sogar in seltenen Momenten, wie bei „Won't Watch Me Fall“ ein wenig wie die weibliche Entsprechung des männlichen Fallset-Gesangs von SIGUR RÓS klingt. Dazu gibt’s Piano-Passagen, bei denen der Verdacht aufkommt, KONSTANTIN WECKER hätte es sich hinter dem Klavier bequem gemacht. Und immer wenn die Musik schon in dieser Form so schön traurig klingt, dann setzen die Streicher noch einen drauf und treiben dem Hörer mit leidvollen Klängen die Tränen in die Augen. „Raindrops Falling“ ist so ein Beispiel. Eine akustische Gitarre und zerbrechlicher Gesang lassen uns traurig im Regen stehen, bis am Horizont das Cello zärtlich dunkle Wolken vorbeiziehen lässt. „The Aimless Wanderer“ darf dann gleich von allen Streichern begleitet seinen Weg so lange wandern, bis er auf elektronische Tüfteleien trifft, die sich mit klassischem Piano vereinigen bis Linda darüber singt, wie schwer es ist, manchmal wieder aufzustehen und weiter zu gehen.
Da sind sie dann wieder – die Scherbenhaufen unseres Lebens, die Verluste und das Leid, die wir vergessen wollen, aber nicht können, weil eine Amnesie eben doch keine Lösung ist. Manchmal aber reicht es schon, in solchen Tönen darüber zu singen und mit solchen musikalischen Harmonien darüber zu klagen. „Dear Amnesia“, sei willkommen in meinen Ohren, aber hoffentlich nicht in meinem Kopf. Diese musikalische Krankheit hat mich jedenfalls angesteckt, weil ich irgendwann wohl keine Lust mehr hatte, mit Glasperlen zu spielen.
Warum ich allerdings auf dem beinahe 5-minütigen „Intentionally Left Blank“ nur die totale Stille zu „hören“ bekommen, bleibt mir jedoch ein Geheimnis – kein besonders schönes, das wir mal ganz schnell der Amnesie anheim fallen lassen wollen. Als kleine Entschädigung dürfen wir uns dann noch als Bonus zwei ansprechende akustische Live-Versionen anhören, die uns besonders durch die Dominanz des Pianos wieder einem KONSTANTIN WECKER sehr nahe bringen.
FAZIT: Manchmal sind es die kleinen Dinge, die Musik so gigantisch erscheinen lassen. Folk, Indie, Pop, Electronica, Streicher, eine tolle Stimme und traurige Texte, die bewegen. So bewahrt man sich in Deutschland zwar seine musikalische Unabhängigkeit und es bleibt ja wenigstens die Hoffnung, dass auch sowas mal erfolgreich sein kann. Glas zerbricht eben – doch Perlen entdeckt man nur ganz selten. „Dear Amnesia“ jedenfalls ist eine!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- In Search Of
- Wait Till You Come Back
- Self-Contained Annex
- Define My Anger
- Rather Backwards
- Silver Cure
- Raindrops Falling
- The Aimless Wanderer
- Back
- Won't Watch Me Fall
- Golden Fields
- Dear Amnesia
- Come Home
- Intentionally Left Blank
- The Aimless Wanderer (Acoustic Live Version)
- Golden Fields (Acoustic Live Version)
- Bass - Michael Fiebrig
- Gesang - Linda Rum
- Gitarre - Linda Rum
- Keys - Linda Rum
- Schlagzeug - Christian Hielscher
- Sonstige - Dorothee Gürtler (Cello), Franziska Ulrich (Violine), Nellie Kügel (Violine)
- Dear Amnesia (2013) - 12/15 Punkten
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